Schachsommer 2014 - Bericht Prag
Wilhelmsthal , Dresden, Prag. Irgendetwas braucht der Schachspieler um Gleichgesinnte zu treffen, gemeinsame Erinnerungen aufzubauen und um angesichts des begrenzten Urlaubes wieder ein Arbeitsjahr voller Vorfreude zu überbrücken. In Wilhelmsthal gibt es die Bungalowsiedlung so vermutlich nicht mehr. Der einst angestrebte Besuch der historischen Stätte mit Zeitzeugen aus den Jahren 1986 bis 1990 scheiterte damals am mangelnden Interesse. Das Dresdner Schloss steht seit 2002 für Schach nicht mehr zu Verfügung. Ohne dieses Flair und die studierenden Freunde hat das Turnier an Reiz verloren. Heutzutage müssen auf unserer nächsten Etappe oftmals Familie und Beruf mit Schach in Einklang gebracht werden. Was wäre hierfür besser geeignet als der Schachurlaub in Prag?
Im Gedenken an ihren Vater, Prof. Pelikan, organisiert Jindra Kollerova seit 1997 in der Metropole Prag jedes Jahr im Sommer 3 richtig voll gepackte Schach-Urlaubs-Wochen. Schach gespielt wird in Rundenturnieren a 10 Spielern mit einer ELO-Streuung von ca. 200 Punkten, im Rapid, beim Blitz, beim Simultan oder in den umliegenden Gastwirtschaften. Für Familienangehörige werden täglich Ausflüge rund um Prag organisiert (uns stellt der Ausflug am Mittwochnachmittag sowie die Moldau-Schifffahrt vollkommen zufrieden). Ausgangspunkt ist zurzeit der Wenzelsplatz (habe mit dem Turnier schon 4 Umzüge erlebt). Zentraler geht es also nicht. Mein Kumpel Markus Spindler (ehemaliger Jugendbetreuer und Autor von 2 Kinderschachbüchern) und ich waren nun zum 12. Mal dabei. Wir sind die einzigen, die seit den achziger Jahren durch die gleiche Sucht im Sommer verbunden sind. Einzigartig im deutschen Schach, oder? Andere geben sich mittellos, desinteressiert bzw. vertreten die Interessen einer Frau. Zum 4. Mal dabei war Pommi. Für Eicke (Markusson = Sohn vom Markus) war es das 2. Mal. Ich hatte mich vorm Turnier in eine Topverfassung gebracht und reiste mit reichlich schachlichem Selbstvertrauen an.
Rundum kein Vergleich zu einem Punktspiel als ML. Eigentlich kam so nur das Meisterturnier infrage. Reizvoll waren 5 Nationen in der Gruppe sowie 6 neue Gegner. Markus und Pommi teilten sich auf die beiden Meisteranwärterturniere auf. Dort zählten sie zum erweiterten Kreis der Favoriten. Eicke, von der Schul-AG aufs internationale Parkett, spielte in der D-Gruppe.
Das Turnier begann richtig bitter. Stellte in Runde 2 nach Glanzpartie eine Figur ein. Ein schwacher Moment, 8 Minuten vor Blättchenfall, kostete glatte 20 DWZ-Punkte. Der englischen Sprache kundig, wäre die Partie dennoch längst bei Timothy Taylor gelandet. Sie füllt einen weißen Fleck in Froms Gambit. Viel Zeit darüber nachzudenken blieb nicht. In Runde 3 neuerte ein FM im Staunton Gambit, so dass ein Bauer bis nach d6 marschieren konnte. Ich verteidigte sehr offensiv. Richtung Endspiel wechselte die Initiative. Bin nicht sicher, ob es sich tatsächlich um ein Anderssen-Endspiel handelt. Schaute mit die Lage mehrere Minuten an, bevor ich das Endspiel mit 3 von verbliebenen 5 Minuten durchblitzte. Einer der Ösis sprach daraufhin von Nervenstärke (vielleicht auch angesichts des Endes vom Vortag). Nach Josef Erneker und Jiri Gregor ein weiterer wertvoller Skalp aus Prag. Darauf gönnt man sich dann das 300g-Lamm im "Koliba". Und auch das habe ich geschaff! Die nächste Doppelrunde brachte die beiden Erstplatzierten des Vorjahres. Später gab es noch eine weitere Doppelrunde mit 2 Schwarzpartien. Die Farbverteilung war wirklich alles andere als optimal. Ich spielte aber nach der 2 Runde ohne größeren Fehler durch, musste mich nur noch GM Sergey Kasparov geschlagen geben und umschiffte ansonsten alle weiteren Klippen.
Markus kam auf 5,5, Pommi 4, Eicke 0,5 Punkte. Sie hatten alle nicht ihr optimales Turnier. In Pommis Gruppe siegte die Kasparova auf ausdrücklich Einladung von Jindrich Novak. Bei Markus konnte sich Daniel Hadzala durchsetzen. Großer Kämpfer und sympatischer Schachfreund. Wir kreuzten bisher 2x die Klingen (ich berichtete im thematischen Trainingsabend). Eicke ist dafür schon ganz dick im Kruggeschäft. Wenn es schachlich nicht gut läuft, lässt sich der Schwerpunkt dann leicht auf Urlaub verschieben. Man läuft einfach in die Stadt (ungehindert bis zur Moldau), um sich den Vergnügungen bzw. dem Pivo hinzugeben. Den "Pivovarsky Dum" empfehle ich allerdings nicht mehr. Auch eine Fahrt zum "Andel" ist denkbar. Oder man gibt beim Kuhhandel richtig Gas. Die 2. Woche wurde von Patrik Nilsson gewonnen. Warte schon lange auf meine Revanche. Will unbedingt wieder mal eine Woche mit den Schweden machen (Gruppe um Prof. Dalling und Staffan Thomasson). In der 3. Woche ist Familie Hansch mit 6-7 Personen am Start. Anzeichen für Goldgräberstimmung! Jedenfalls werde ich mit Jindra und Markus im Kontakt bleiben. Jindra wird es freuen, dass es fürs nächste Jahr schon 2 Mitfahrer mehr gibt. War man erst einmal dort, erscheint der Schachurlaub völlig alternativlos.